EINIGE GEDANKEN…..

 

…..ÜBER AKTIONEN GEGEN NAZI-DEMONSTRATIONEN AM 2.4.2016 IN MARZAHN / HELLERSDORF

 

Auch anlässlich dieser Demonstration bestätigt sich unsere Einschätzung: Wenn erkennbare Nazis aufrufen, können sie nicht mit einem stärkeren Zulauf aus der „Normalbevölkerung“ rechnen. Dies war lange so und ist immer noch so. Obwohl es massive Versuche aus bürgerlichen Parteien, aber auch aus Teilen der Linken gibt, den Rechten bis hin zu Nazis, Menschen in die Arme zu treiben.

 

Allerdings war das Anwachsen der Nazi-Demonstration von etwa 200 Menschen bei der Auftaktkundgebung, auf zwischenzeitlich bis zu 300-400 nach dem Abmarsch, durchaus ein gewisser Erfolg für diese Bande. Das ist wahrscheinlich der allgemeinen politischen Lage in diesem Land geschuldet. Aber natürlich insbesondere der weitest gehenden Unfähigkeit weiter Teile der Linken, die brennenden Fragen der Bevölkerung, eben auch speziell die Flüchtlingsfrage anzusprechen.

 

Dies gelingt aber weitestgehend auch den Nazis nicht. Obwohl sie in diesem Fall die Möglichkeit hatten, teilweise durch dichtes Wohngebiet zu marschieren. Eine deutliche Zustimmung in nennenswerten Umfang, war aber für uns nicht erkennbar. Die entnervte Rumpöbelei eines Redners der Nazi-Demo gegen die Anwohner, die sich die Angelegenheit von Balkon oder Fenstern aus ansahen, machte die tatsächliche Isolation dieser Faschistenbande noch deutlicher. Die Faschisten haben eben (ähnlich wie Teile der Linken) auch keine Antworten auf die gesellschaftlichen Fragen, die so drückend auf breiten Teilen der Bevölkerung lasten.

 

Einen lustigen Moment gab es, als Nazis die Parole skandierten:“ frei – sozial und national“. Aus einer Gruppe von Gegendemonstranten schallte es daraufhin in gleicher Tonlage zurück:“ dumm – brutal und asozial“. Die Nazis waren regelrecht verwirrt und schwiegen kurzzeitig.

 

Allerdings kann das ja nicht eine starke antifaschistische Manifestation ersetzen, in der sowohl der Faschismus demaskiert wird, aber auch der Bevölkerung ein Angebot gemacht wird, wie es weitergehen kann. Insbesondere wie es mit den fortschrittlichen Zielen bestellt ist.

 

WIE IST DAS MIT LINKER DEMONSTRATIONSKULTUR

 

Man hat nicht unbedingt den Eindruck, dass es in beträchtlichen Teilen der Linken, aber auch insbesondere auf Demonstrationen und Kundgebungen tatsächlich darum geht, den gutwilligen und fortschrittlichen Teil der Bevölkerung für sich zu gewinnen. Allerdings ist das bei diversen Themen innerhalb der sogenannten Linken auch tatsächlich nicht möglich. Weil sie sich teilweise gegen den gesunden Menschenverstand richten, rückwärtsgewandt sind und sich damit gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung richten.

 

Vielleicht rührt daher die Vorliebe auf Demonstrationen und Kundgebungen Parolen auf Englisch oder Italienisch zu rufen. Wobei sich die Frage ergibt, ob dann in einem Bezirk, in dem bekannter Weise sehr viele Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion leben, russisch nicht angebrachter wäre.

 

Aber Ironie beiseite, wir haben in sehr großem Umfang Filmmaterial über die aktuellen Demonstrationen in Frankreich gesichtet, uns ist nicht ein Transparent oder eine Parole aufgefallen, die nicht in der Landessprache beschriftet waren oder gerufen wurden. Geht die Unterwürfigkeit unter den US-Imperialismus in diesem Land so weit, dass man es nicht mehr wagt, Parolen in der Landessprache zu verbreiten und ist dies auch in der Linken so.

 

Interessierte Zuschauer und Zuhörer aus der Bevölkerung des Wohngebietes waren jedenfalls sowohl von den Nazis, aber auch von den Teilnehmern der antifaschistischen Gegenaktion genervt.  Dies war an verschiedenen Stellen deutlich spürbar und für uns auch nachvollziehbar.

 

Wenn interessierten Anwohnern ein fröhliches „Nie wieder Deutschland“ entgegenschallt und ansonsten diese antifaschistische Linke auch keine Antworten auf brennende gesellschaftliche Fragen geben kann, muss sich niemand wundern, wenn er auf Ablehnung trifft.

 

„Nie wieder Deutschland“ ist ja sowieso eine Parole, die mehr als fragwürdig ist. Dass, was wir dazu erfahren konnten, war im Grunde eine Gleichsetzung der Geschichte dieses Landes mit der Herrschaft der Nazis und zwar bis heute.  Es gibt dazu noch eine andere Zeile aus einem Lied, die oft skandiert wird (gestern haben wir sie allerdings nicht gehört): „Deutschland muss sterben, damit wir leben können“. Warum erinnern uns solche Parolen an faschistoide bis faschistische Parolen?

 

Ist alles Nazi, was dieses Land und seine Bevölkerung hervorgebracht hat? Ist Karl Marx Nazi, ist die deutsche Arbeiterbewegung Nazi, sind die Massen von Antifaschisten dieses Landes auch zwischen 1933 und 1945 Nazi, sind die vielen Helfer, die den aktuellen Flüchtlingen beigesprungen sind, im Gegensatz zu dem großmäuligen Staatsapparat Nazi, sind Bülent und Panos, die sich berechtigt als Teil der deutschen Bevölkerung verstehen Nazi? Entweder schwachsinnig oder bewusst reaktionär fällt uns dazu ein. Und oftmals sind die Leute, die solche Parolen hysterisch rumkrakeelen, ganz große Bewunderer des mörderischen US-Imperialismus.

 

Die Naziverbrechen müssen in ihrer ganzen Dimension benannt werden. Ein Land oder eine Bevölkerung, sowohl in der Vergangenheit, aber auch insbesondere auf ewige Zeiten, mit den Verbrechen der Nazis gleichzusetzen, ist allerdings mehr als fragwürdig.

 

Eine Parole, die ebenfalls von Antifaschisten gegen die Nazi-Demonstration skandiert wurde, war „ Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“. An dieser Stelle vollkommen angemessen, nachvollziehbar, logisch - mehr davon. Schleudert man dies irgendwelchen Menschen entgegen, die sich über die Aussagen der AFD ein Bild machen wollen, wird es aber kontraproduktiv.  

Will man die Bevölkerung ansprechen und gewinnen, wird man wohl nicht umhinkommen, die berechtigten Wünsche und Forderungen der Bevölkerung auch in Parolen und Losungen zu „gießen“. Dann könnte es durchaus auch mit der Mobilisierung von mehr Menschen gegen die öffentliche Propaganda von Faschisten klappen.

 

NACHTRAG ZUM DEMONSTRATIONSVERLAUF

 

Die Demonstrationsroute wurde geändert, ob unmittelbar vor Demonstrationsbeginn oder schon viel früher, sei mal dahingestellt. Offizielle Begründung: Wegen drohender Blockaden musste kurzfristig die Route geändert werden. Dies war auf alle Fälle für Nazis, aber auch für die Polizei eine günstige Ausgangslage. Die Mobilisierung für die Gegenaktionen von Antifaschisten war aus unserer Sicht aber sowieso eher mäßig.  Am Platz der Auftaktkundgebung waren nach unserer Schätzung etwa 200-300- Antifaschisten verteilt. Im näheren Umfeld hatte die Polizei schon eine größere Gruppe festgesetzt und nahm zumindest deren Personalien auf.

 

Durch den Coup der veränderten Demonstrationsroute hatten die Antifaschisten ziemliche Probleme, ihren Protest in die Nähe der Demonstration zu bringen. So war die dort mögliche Gegenpropaganda sowohl aus oben genannten Gründen, aber auch aus Gründen der geringen Anzahl durchgesickerter Antifaschisten, eher dürftig. Zumindest würden wir das für die Bereiche festhalten, in die wir Einblick hatten.

 

Mal davon abgesehen, dass wir jetzt keine Träne vergießen über verschiedene Aktionen im Umfeld. Wir fragen uns allerdings doch,  ob eine starke antifaschistische Demonstration nicht besser geeignet ist, antifaschistische Stärke und Position für die Bevölkerung zu vermitteln, anstatt  der Nazibande immer hinterher zu hecheln.

 

Festhalten muss man aus unserer Sicht auf jeden Fall: Es hat ein weiteres Debakel der antifaschistischen Mobilisierung, insbesondere in Berlin stattgefunden. Die ekelhafte Überheblichkeit der Nazis spiegelte dies durchaus wieder, das haben wir schon anders erlebt. Der Gedanke, dass man eventuell doch den gutwilligen Teil der Bevölkerung benötigt, um hier die Verhältnisse zum Besseren zu wenden, sollte sich vielleicht ja doch mal weiterverbreiten.

 

K. Lehmann , Tom Klare, Thea Rothe                              3.4.2016

 

 

P.S.: Vielleicht funktioniert die Mobilisierung gegen türkische Faschisten am nächsten Wochenende besser.

 

Aufruf hier   (ISKU – Informationsstelle Kurdistan e.V.)